Ein außergewöhnliches Seminar fand am 22. April in der Tierärztlichen Klinik Binger Wald in Waldalgesheim statt. Es ging um die sichere Rettung von in Not geratenen Pferden. Mit etwa 30 Teilnehmern war der Vortragsraum bis auf den letzten Platz gefüllt. Eine Mischung aus Tierärzten, Pferdehaltern, aber vor allem Feuerwehrleute hatten sich angemeldet. Sie waren begeistert von den Informationen die ihnen Dr. Christoph Peterbauer, Notfalltierarzt, Veterinär-Anästhesist, Feuerwehrmann und Tierrettungsspezialist aus Wien nahe brachte, in Theorie und Praxis.
In einem etwa dreistündigen Vortrag sensibilisierte er erst einmal seine Zuhörer für das Thema. Dabei kam eine Präsentationstechnik zum Einsatz, mit der er überzeugen konnte. Noch mehr aber mit den Bildern und kleinen Filmen, die seinen Vortrag wirkungsvoll unterstützten. Teilweise schockierend, wenn er die Folgen unsachgemäßer Rettung von Pferden zeigte, aber auch erheiternd, wenn ein BH die Augen eines Pferdes schützte. So mancher Pferdebesitzer kann sich vielleicht noch schaudernd an ähnliche Bilder erinnern, wenn er sich leichtsinnig diesem Thema genähert hat. Hoffentlich war es noch einmal gut gegangen.
Eine schlecht geplante Rettung eines im Graben steckenden Pferdes kann zur tödlichen Falle werden. Daher zeigte er auf, wie man sich besser vorbereiten kann um Pferd und Rettungspersonal zu schützen. Die Engländer haben in dieser Richtung schon viel geleistet und Dr. Peterbauer hat einiges von ihnen gelernt.
Wichtig ist, sich der Gefahren bei der Rettung von Großtieren bewusst zu sein. Dabei sind aber auch Risiken, Emotionen und Werte in die Überlegung mit einzubringen. Gerade bei den persönlichen Gefühlen wird häufig das Risiko vernachlässigt mit fatalen Folgen. 83 % würden ihre Gesundheit oder ihr Leben für ein Tier riskieren. Nüchterne Abwägung kann zu anderen Entscheidungen führen. Als Beispiel zeigte er eine Kuh in einer Schlucht, die in zwei Monaten sowieso geschlachtet werden sollte. Hier viel technisches Gerät unter hohem Risiko für Mensch und Tier einzusetzen ist schlecht zu rechtfertigen.
Auf die Psyche des Pferdes ging er besonders ein, sicher hilfreich für die Feuerwehrleute. Pferde sind Fluchttiere und fühlen sich in der Herde wohl. Sie bleiben lieber im Stall, auch wenn es brennt. Und bei ihnen ist die Fluchtdistanz zu berücksichtigen, also eine langsame Annäherung besonders in so kritischen Situationen wie bei Unfällen.
Frühzeitig Experten einschalten, möglichst einen Rettungsplan festlegen, Ruhe bewahren, die Unfallstelle absichern, Tierarzt und Feuerwehr alarmieren, ein ruhiges Umfeld schaffen also Zuschauer fernhalten, das Tier beruhigen und den Kopf sichern. Platz für die spätere Freilassung schaffen. Aber auch an den eigenen Rückzugweg denken.
Nach so viel Theorie ging es für den praktischen Teil ins Gelände. Aus dem Hänger von Dr. Peterbauer wurde ein Pferd gerollt. Kein richtiges, ein Dummy, also ein Kunststoffpferd, voll ausgebildet aber nur 50 % so schwer wie ein lebendes Tier. Dr. Kreling brachte mit einem Schlepper das Pferd auf die Seitenlage und dann wurden die verschiedenen Techniken gezeigt, wie ein Pferd auf die Seite, nach vorn oder hinten gezogen werden kann. Immerhin kommt bei der Rettung 90 % Muskelkraft zum Einsatz und nur bei 10 % wird ein Kran benötigt.
Zum Einsatz kommen ausschließlich schonende Hebegurte. Besonderes Augenmerk legte Dr. Peterbauer auf die Berücksichtigung der Gefahrenbereiche beim Pferd. Das geringste Risiko ist im Rücken der Pferde. Daher kamen Fädelhilfen und Armverlängerungen zum Einsatz, um die Hebegurte unter den Pferdeleib zu schieben und Abstand zu den Beinen zu halten. Ein Pferd ist immer einen halben Arm länger als man glaubt, mahnt er. Die Teilnehmer mussten die vorgestellten Techniken nachvollziehen.
Für den Kraneinsatz gibt es einige Hilfsmittel, die meist von der Feuerwehr oder auf dem Flughafen zu finden sind. Sie verfügen ja auch über Kräne zur Rettung der in Not geratenen Tiere. Die Vor- und Nachteile der Bänder oder Matten wurden demonstriert. Deren zeitlicher Einsatz am Pferd soll aber auf möglichst wenige Minuten beschränkt bleiben.
Die Teilnehmer auf einen Zwangsspaziergang geschickt. Die beiden Doktoren hatten bei einem Spaziergang eine Stelle erkundet, die für die Abschlussarbeit geeignet erschien. Mit dem Pferd am Kran fuhren sie einen zugewachsenen Abhang hinunter, bis ein Baumstamm die Weiterfahrt verhinderte. Dahinter wurde vorsichtig das Pferd abgelassen und ein entsprechendes Szenario inszeniert. Ein Mädchen lag unter dem Vorderbein des Pferdes, die Theoretiker fungierten als Mutter, Pferdebesitzer oder einfach Zuschauer.
Von Hilferufen angelockt kamen die Praktiker an die Stelle und versuchten erst einmal zu dem Unfallort zu kommen. Zuschauer und Fotografen mussten abgewehrt werden und dann kam das Erlernte zum Einsatz. Es dauerte in dem schwierigen Gelände doch etwas länger und vielleicht hätte der Tierarzt in der Realität das Tier noch einmal sedieren müssen. Aber schließlich gelangte der Vierbeiner aus seiner misslichen Lage wieder nach oben. Er wurde ja noch für das Gruppenfoto gebraucht.
Positive Kritik vom Lehrgangsleiter. Von Dr. Kreling die Idee, so etwas zu wiederholen, wurde mit Beifall begrüßt. Besonders der theoretische Teil hätte sicher so manchen Reiter oder Pferdebesitzer nachdenklich gestimmt. Hoffen wir, dass ein solcher Notfall nicht einkehrt bzw. kompetente Helfer zu Verfügung stehen.
Dietmar Rodewald
28.04.2015